Doing Kinship by Doing Law? Zur Alltagsbedeutung von Recht in verwandtschaftlichen Kontexten

Von
Felix Gaillinger

Digitale Tagung des Instituts für Europäische Ethnologie
Wien, 09. Dezember 2022 bis 10. Dezember 2022

Doing Kinship by Doing Law? Zur Alltagsbedeutung von Recht in verwandtschaftlichen Kontexten

Anmeldung: tagungDKDL.euroethno@univie.ac.at.

Das festgeschriebene Gesetz, so bereits ein früher Begründer der Rechtssoziologie, sei eine „Form der Herrschaft des Toten über den Lebenden“ (Ehrlich 1913: 323).

Was im ersten Moment die definitive Deckungsungleichheit von abstraktem und daher totem Recht und eigentlichen Rechtsbedürfnissen der Lebenden behauptet, zielt im Kern auf eine zentrale ethnographische Perspektive ab: Es geht um das Bewusstsein dafür, dass rechtlich normierte Handlungsideale und die tatsächlich gelebte Alltagspraxis im Umgang mit dem Recht nicht unbedingt reibungslos miteinander vereinbar sind (Bourdieu 1987). Sichtbar werden solche Deckungsungleichheiten im „überaus doppelbödige[n] Instrument der Interessensdurchsetzung“ (Binder 2018: 58) beispielsweise in konflikthaften Momenten, in denen um die Deutungshoheit über rechtliche Ansprüche gerungen wird.

Um beim Sprechen von Familie und Verwandtschaft einen „Begriffsschematismus, der die Sicht auf Feinstrukturen behindert“ (Hartmann 1988: 103), zu vermeiden, wurden Appelle an eine stärker praxeologische Ausrichtung mittels der Konzepte Doing Family und Doing Kinship laut (vgl. Knecht 2009; vgl. Jurczyk 2018). Neben einer Synopse von historischen und gegenwartsbezogenen ethnologischen Zugängen wird vorgeschlagen, sich auf Arten und Weisen der Verbundenheit zu fokussieren (vgl. Timm 2011). Diese Arten und Weisen werden auch vor dem Hintergrund von und im Umgang mit rechtlichen Regelungen greifbar.

Unter der Leitfrage DOING KINSHIP BY DOING LAW? nähert sich die digitale Tagung der Alltagsbedeutung von Recht in verwandtschaftlichen Kontexten dezidiert praxisorientiert an und trägt inhaltlich-analytisch sowie programmatisch und methodologisch zu einer konkreteren Bestimmung der gegenseitigen Bedingtheit von Kinship- / Family Studies und Rechtsanthropologie bei.

Programm

Freitag, 09. Dezember 2022

09:00–09:20 Uhr:
Begrüßung und Einführung (Felix Gaillinger)

09:20–10:45 Uhr Keynotes – Konzeptionelle Vor/überlegungen

Mit Recht umgehen. Ansätze der kulturanthropologischen Rechtsforschung (Beate Binder)

Doing Family oder Doing Kinship. Konzeptuelle Geschmacksfragen oder relevant fürs Recht? (Karin Jurczyk)

10:45–11:00 Uhr Kaffeepause

11:00–12:30 Uhr Panel 1 – Rechtsdefinitionen um/deuten?

Die Ausgestaltung des Abstammungsrechts als Statusrecht. Implikationen für die rechtliche Elternschaft (Fiona Behle)

Die Konstruktion der Kernfamilie nach Fehlgeburt im novellierten Personenstandsrecht (Julia Böcker)

12:30–13:15 Uhr Mittagspause

13:15–15:00 Uhr Panel 2 – Rechtliches durch/queeren?

Rechtlicher Wandel im Schneckentempo. LGBTQ-Familien zwischen Gleichstellung und Heteronormativität (Mona Motakef, Julia Teschlade, Christine Wimbauer)

Entpolitisierung durch gleiche Rechte? Queere Lebensformenpolitik als transformative Rechtspolitik (Liza Mattutat)

Queere Verwandtschaften – queere Demokratien (Sarah Mühlbacher)

Samstag, 10. Dezember 2022

09:30–11:00 Uhr Panel 3 – Umkämpfte Kinder/losigkeit?

‚Not wanting a child’. A symbolic argument in climate change trials in Switzerland (Clémence Demay, Mathilde Krähenbühl)

„Und jetzt werden Sie Mutter und Schluss“. Literarische Interventionen – Der Paragraph 218 in der Weimarer Republik (Louisa Meier)

11:00–11:15 Uhr Kaffeepause

11:15–12:45 Uhr Panel 4 – Mit und gegen Un/recht streiten?

Vermögen ist dicker als Blut? Konflikte in superreichen Familien und die Reproduktion von Vermögen (Franziska Wiest)

Alltagsrache innerhalb der Familie. Unrechtserfahrungen, Gewaltfantasien und Machtdemonstrationen in verwandtschaftlichen Kontexten (Manuel Bolz)

12:45–13:30 Uhr Mittagspause

13:30–15:45 Uhr Panel 5 – Ir/rationalitäten im aufgelösten Familienverbund?

Elternliebe. Ein emotionssoziologischer Zugang zum Verhältnis von Sorge und Geschlecht im Kontext von Trennung und Scheidung (Maya Halatcheva-Trapp)

Die staatliche Beratungsinstanz als überrationale Interventionsmacht im Rechtsstreit um den Unterhalt (Felix Gaillinger)

Untrennbare Familienbande. Biografisch-rechtliche Stolpersteine in den Lebenswegen von Careleaver:innen (Tanja Abou)

„Die Regeln sind so, dass man sie nicht befolgen kann“. Alleinerziehende zwischen Reglement und Selbstermächtigung (Valerie Jochim)

15:45–16:00 Uhr Kaffeepause

16:00–16:45 Uhr Resümee (Erdmute Alber, Michèle Kretschel, Jan-Christoph Marschelke)

16:45–17:00 Uhr Closing Remarks

Das vollständige Programm inkl. Ankündigungsposter finden Sie auch unter dem nachfolgenden Link: https://euroethnologie.univie.ac.at/einzelansicht/news/digitale-tagung-doing-kinship-by-doing-law/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=29e8aca9605b973b3d915f752aac193c2aac193c.

Kontakt

Felix Leopold Gaillinger, M.A.
Institut für Europäische Ethnologie
Universität Wien
Hanuschgasse 3
Ö – 1220 Wien
E-Mail: felix.gaillinger@univie.ac.at

https://euroethnologie.univie.ac.at/einzelansicht/news/digitale-tagung-doing-kinship-by-doing-law/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=29e8aca9605b973b3d915f752aac193c